Ein sehr später Kommentar von meiner Seite:
Hallo FritzdeLuxe, ersteinmal meinen großen, tiefen Respekt, dass Du hier so absolut offen über Deine Situation schreibst und eine so wichtige Diskussion zu letztlich - wie ich finde - einem der größten Themen der Menschen anstößt.
Ich kenne Dich nicht, lese nur was Du hier schreibst, daher möchte ich mich mit Urteilen und Ratschlägen eher zurückhalten.
Aber vielleicht bringen Dir ja ein paar Gedanken von jemandem, der aus einer Familie mit Suchthistorie (Alkohol) stammt, etwas:
Wo endet freudiges Engangement für etwas und fängt die Sucht an? Oft ist das sicher eine schleichende Entwicklung und eine schwammige Grenze.
Ist z.B. der Künstler, der den Applaus des Publikums jeden Abend braucht und ansonsten eine große Leere in sich spürt, süchtig?
Ich habe in Anbetracht meiner Familie und Verwandschaft viel über das Thema nachgedacht.
Mein Fazit ist, dass es heikel wird, wenn das "Engangement" zu einem Zwang wird:
- Kreist das Leben nur noch um das Eine (Die Flasche, der Applaus, die Massage, das Essen, der Sex, das nächste Lebenscoaching-Seminar... man kann ja von fast allem süchtig werden)?
- Vernachlässige ich darunter wichtige soziale Kontakte?
- Gerate ich finanziell in existentielle Probleme?
- Könnte ich auch ohne? Wenn nein, warum nicht?
- Was passiert mit mir, wenn ich es nicht habe?
- Kann ich darüber mit mindestens einem Menschen persönlich reden? Oder fühle ich mich einsam damit?
- Und eine der wohl wichtigsten Fragen: Wenn ich ganz ehrlich zu mir bin: Leide ich?
SPÄTESTENS, wenn die Antwort auf die Frage "Leide ich? " "Ja" lautet, spielt es keine Rolle, ob man seine derzeitige Situation "Süchtig" nennt oder wie auch immer. Man sollte nicht leiden. Leiden ist grausam. Wir sind nicht auf der Welt, um zu leiden.
Und ich habe den Eindruck, dass Du leidest, deshalb schreibe ich.
Häufig tappt man als Mensch in die Falle, dass man auf der Suche nach etwas ist, es nicht findet, sich nicht leisten kann etc. und daher Substitute für sich verwendet. Oder Ängste das Annehmen des "Originals" verhindern und man stattdessen das Substitut vorzieht. Unterbewusst weiß man aber, dass es sich nicht um das Original handelt und es entsteht trotz Substitut in einem eine Leere.
Ich bin ja ein bisschen im Tantra-Bereich unterwegs und dort gibt es viele Leute, die meiner Meinung nach wirklich süchtig in diesem Sinne sind: Beim wahren Tantra wird eine unglaubliche Nähe und Liebe transportiert. So intensiv, wie man sie vielleicht zuletzt bei der eigenen Mutter kennen gelernt hat. Etwas, nachdem sich viele unglaublich sehnen. Etwas, das eigentlich das Sahnehäubchen auf einem ansonsten glücklichen, erfüllten Leben sein sollte. Genau das ist jedoch gleichzeitig auch extrem attraktiv für Leute, bei denen das einen tiefen persönlichen Mangel bedient. Man möchte das immer wieder und wenn man es nicht hat, bleibt eine große Leere in einem.
Ich kenne z.B. eine sehr gute Tantra-Shakti, die aktuell aus diesem Grunde wahrscheinlich sogar aufhören wird. Sie sagte mir kürzlich: Ich kann das nicht mehr. All diesen Männern kann ich die Partnerin, nach denen sie sich im Grunde genommen sehnen, nicht ersetzen. All die Liebe und Hingabe, die sie sich wünschen, bekommen sie bei mir nur auf Zeit und sie brauchen selbst in dieser Zeit so unfassbar viel davon, dass für mich selbst kaum etwas von dieser Art Energie übrig bleibt.
Liebe ist eine der stärksten Antriebe in uns. Der Mangel an Liebe somit auch.
Menschen zahlen Unsummen für die Suche und Ersatz, versetzen Berge, führen Kriege deshalb und töten also sogar dafür.
Vieles Unschöne in unserer "entmenschlichten" und auch prüden Gesellschaft wäre nicht so wie es ist, wenn auf uns alle am Abend eine Partnerin oder ein Partner warten würde, die/der uns aufrichtig liebt und uns bis zur Verletzlichkeit als liebenswerter, offener, natürlicher und ehrlicher Mensch empfängt. Auch wäre es sicher gut, wenn alle Eltern gehabt hätten, die einen von Zeit zu Zeit in den Arm genommen hätten, uns ihre bedingunslose Liebe hätten spüren lassen und uns bei Gelegenheit auf die Schulter geklopft hätten, um uns zu zeigen, was wir in ihren Augen richtig gut machen.
Das ist zumindest mein tiefer Glaube. Je mehr ich in diese Richtung gegangen bin, desto mehr Glück und Frieden habe ich jedenfalls als Mensch gefunden.
Wie sieht es bei Dir mit der Liebe aus?
Du bist sehr intelligent wie mir scheint. Du weißt, dass man Liebe nicht kaufen kann.
Versucht man es, bleibt nichts als Leere zurück und ein schaler Geschmack, denn man weiß, dass man auf der Suche nach der wahren Liebe für das Surrogat bezahlt hat. Machen wir uns entsprechend nichts vor: Keine noch so nette, liebenswerte Tantra-Shakti oder Masseurin würde einem selbst als langjährigen Stammkunden umsonst irgendwelche schöne Stunden bescheren.
Und selbst wenn gelegentlich einmal eine eine Ausnahme machen würde: am Abend zu Hause ist trotzdem niemand, man ist allein, die andere Seite vom Bett ist leer, keiner ist da, der einen in den Arm nimmt, den man in den Arm nimmt, keine Wärme, keine Liebe.
Ursachen? Angst vor der wahren Liebe? Vor Enttäuschung? Eigene Öffnung und Bereitschaft und Verletzlichkeit? Dem richtigen, der richtigen noch nicht begegnet? Oder sie/ihn einfach nicht "gesehen"?
Das könnten interessante Fragen sein oder auch überhaupt nicht.
Ich kenne Dich ja nicht, daher werfe ich nur Steine in den Teich und hoffe, dass die Wellen bei Dir etwas Kreise ziehen.
Ansonsten: Gern PN, halt die Ohren steif und sei weiter so schonungslos ehrlich zu Dir.
Ich wünsche Dir jedenfalls einen Menschen, mit dem Du unentgeltlich große Liebe erlebst und weitere erfüllende Inhalte in Deinem Leben.
Um es in der Kürze nochmal mit der genialen englischen Künstlerin Kate Tempest zu sagen: Wake Up! Love more!
P.S.: Ich hoffe, ich bin weder als Schmalspurpsychologe noch als Besserwisser dahergekommen, denn das war weder mein Beweggrund noch mein Ziel.