Meine erste Chinamassage
Anfahrt per Rad, anschließbar an Stange von Verkehrszeichen auf dem kleinen Platz gegenüber. Einmarsch mit Maske. Guten Tag sagen. Die jung ausschauende Dame an der Kasse ist so hübsch, dass man sie hirnlos heiraten können wollen könnte.
Ich will eine klassische Massage. Ich soll meine Hände desinfizieren und einen Wisch ausfüllen. Dann werde ich nach hinten gebracht und soll eine chinesische Wendeltreppe hochgehen, chinesisch deshalb, weil klein und fast unheimlich. Oben soll ich weitergehen und lande in einem chinesischen Zimmer. Chinesisch deshalb, weil da im Zweifel nur ein Doppelbett reinpassen würde. Ein bisschen fühle ich mich wie Alice im Wunderland, ich warte darauf, dass mein Kopf anfängt zu wachsen.
Guten Tag. Guten Tag. Ich frage, ob ich die Maske absetzen darf. Darf ich. Ich frage beim Ausziehen, ob ich mich ganz ausziehen darf. Darf ich. Das Kopfstück und die Bank werden in Hüfthöhe mit Papier ausgelegt. Ich lege mich ab.
Es folgt ein recht trockenes Drücken hauptsächlich auf dem Rücken, das mich am ehesten noch an eine Triggermassage erinnert. Das geht so eine Weile. Die Dame befindet sich dabei auf der Bank, manchmal habe ich ein Knie in der Achselhöhle, manchmal berührt mich ihre Vorderseite, manchmal spüre ich das Kleid an meiner Hand. Das ist schön. Das Drücken weniger, aber hoffentlich gut für meine Durchblutung und angesammelte Schlacke, die abfließen soll.
Und die ganze Zeit liegt mein Arsch ohne Abdeckung frei im Raum, da das Handtuch über Fuß und Bein unterhalb des Poansatzes aufhört. Ich könnte eingreifen, lasse es, sie soll alleine ihr Programm abspulen.
Das Fenster ist auf und draußen steht ein Depp voller leerer Worte, laut und wahrscheinlich mit Papiertrichter vor dem Mund, damit auch ja alle Schallwellen oben ins Zimmer reinkommen. Lieber Gott, liebe chinesischen Götter und Dämonen, lasst ihn doch bitte umfallen und ein Weilchen schlafen. Niemand erhört mich. Stattdessen scheint er Brüder zu haben, denn kaum ist ein Lautschwätzer weg, folgt schon ein anderer um irgendwas in den Raum und meinen Gehörgang zu blöcken.
Ich liege, der Arsch kalt und ich frage mich, wie hoch der Leidensdruck sein mag, wenn man mir und anderen auf den nicht mehr jugendlichen Arsch schauen darf. Würde ich lieber sowas anschauen oder lieber entblößt herumliegen müssen?
Irgendwann hat das Gedrücke ein Ende, mit wenig nicht wirklich warmem Öl beginnt eine Massage. Diese Massage ist ok, zwischendurch ist der Nacken dran, ein bisschen der Po, dann die Beine, dann wieder der Po. Es ist ok. Aber irgendwie falsch. Es fühlt sich nicht rund an.
Da ist keine Menschlichkeit im Raum, ich sollte das nächste Mal mehr lächeln und irgendwas fragen, was Masseurinnen vielleicht gerne hören wollen. Die Stimmen von draußen nerven, dazu gibt es Pling, Pling, Plong aus einer Miniatur-Box seitlich von mir. Sollte ich je eine Massage eröffnen, wird es in jedem Zimmer eine Rundherumbeschallung geben.
Mein Arsch liegt ungeschützt im Freien. Das Zimmer ist klein, die Wände kommen womöglich bald noch näher wie in einer der 99 Kammern der Shaolin.
Noch versuche ich nicht abzuschalten und in mir zu verschwinden, noch nehme ich alles auf und mache eine riesen Liste, eine Liste mit der Überschrift „Mächtig dicke Fehler!“ – ich mache das von Berufswegen, denn das ist mein Job Angebote zu prüfen und zu optimieren.
Irgendwann drehe ich mich herum, die vorsichtige Bauchmassage und die Annäherung an meinen schlafenden Schwanz ist nett, das könnte eine Weile so weitergehen. Stattdessen sind die Beine dran. Dann ist frau wieder nah dran am schlafenden Prinzen. Der hat selbstredend so wenig Lust wie ich aufzustehen. Licht, Raum, Beschallung, Störung von außen, mechanische Schrittfolgen, da ist nichts was ein Wort mit I anfangen und ntimität aufhören lassen könnte.
Vielleicht ist sie unzufrieden darüber, denn als das zweite Bein mit dem Handtuch gerubbelt wird, fühlt sich das fast ein bisschen rabiat an. Aber was weiß ich schon, ich schreibe weiter an meiner Liste wie das Leben genau jetzt sein müsste, damit es perfekt wäre.
Eigentlich sind es mindestens zwei Listen, eher sogar drei. Eine recht rationale rein auf den Besuch bezogen, eine phantasievollere und eine in der gleich ein Stall voll diverser mir außen wie innen gut bekannter Damen herumhüpfen und mit mir und an mir an einer perfekten Massage üben.
Zwischendurch werde ich mehrmals mit den Fäusten bearbeitet, ist nicht nett, aber ertragbar. Allerdings kommt sie mir an den Beinen gefährlich nahe an die Hoden und das geht gar nicht. Ich bin angespannt, nicht entspannt.
Irgendwann ist sie fertig mit mir oben und darunter, als ich schaue, ist noch eine halbe Stunde Zeit. Diese verbringt sie mit und an meinen Füßen. Ok, darf ja auch mal sein. Ich sollte vor dem nächsten Mal die Zehen rasieren und die Nägel fein säuberlich schneiden, so rein der Höflichkeit wegen, nehme ich mir vor.
Beim nächsten Mal? Wird es das geben? Ich weiß es nicht. Einerseits habe ich Lust auf mehr und dann am besten drei Stunden am Stück, andererseits macht das ganze eher hungrig als satt. Aber vielleicht war es ja aus Sicht einer sinnvollen Massage eine gute Sache. Auch das kann ich nicht beurteilen, vielleicht weiß ich es ja morgen.
Was ich weiß ist, dass man aus der Massagezeit mit wenigen Änderungen eine deutlich bessere Zeit hätte machen können.
Angefangen beim geschlossenen Fenster wozu dann ein größerer Raum gehört, dazu weniger Licht und mehr Harmonie bei allem. Wir alle wissen doch wie der Kungfupanda seine Arme in Kreisen und Wellen wedelt um großes zu schaffen, es muss rund sein, keinen Anfang und kein Ende haben, so dass nach der Massage immer auch vor der Massage ist.
Draußen angekommen überlege ich, ob ich gleich die nächste Adresse ansteuern soll, entscheide mich dagegen.
Stattdessen amusiere ich mich über den nächsten Kerl, der die Massage ansteuert, weil er sich immer wieder umschaut. Entweder ist er ein Drogenkurier oder hat dicke Eier... so oder so will er wohl nicht gesehen werden wie er die Massage ansteuert.
Ich radle davon.